Aktuell werde ich täglich angemailt oder angesprochen, wie die Ampel denn eigentlich einzusetzen ist, was zu beachten ist. Deswegen möchte ich hier schon einmal kurz etwas zusammenfassen, was bislang dazu veröffentlicht worden ist. Ein ausführlicheres Tutorial folgt nächste Woche:
- Die PalliativAmpel ist für Einrichtungen entwickelt worden. Für den NOTFALL soll schnell ersichtlich sein, was die Kernaussage der Patientenverfügung ist.
- Die PalliativAmpel übersetzt deshalb die Patientenverfügung in eine einfache Übersicht, aber die Verfügung wird nicht ersetzt!
- Die PalliativAmpel ist für den Fall, dass sich ein Patient im Notfall nicht selber äußern kann.
- Drei Farben. Drei Aussagen. Grün: Sofort und maximal handeln. Rot: Ich will nicht mehr in ein Krankenhaus, bitte nur lindern. Gelb: Schnell handeln, aber auch sofort nachdenken, nachsehen, was der Patient will.
- Patient und Angehörige erstellen die Vorsorgeunterlagen. Ausgefüllt soll die PalliativAmpel dann z. B. vom Pflegepersonal oder Arzt werden, die die Vorsorgeunterlagen durchgesehen haben!
Dazu kommt noch die Möglichkeit, dass oben auf der Ampel vermerkt wird, ob die Unterlagen zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und/oder Betreuung komplett und ausreichend sind. Oder ob irgendetwas fehlt, nachgebessert werden sollte.
Unterschrieben werden sollte so eine Ampel auch, damit klar ist, wer sie ausgefüllt hat.
Und hier ist ein kleines Erklärvideo dazu.
Also, ganz wichtig: Eine Patientenverfügung und besonders eine Vorsorgevollmacht sollte jeder haben. Nicht nur Bewohner von Pflegeeinrichtungen, sondern einfach jeder in Deutschland. Durch das Ausfüllen der Ampel wird erstens geprüft, ob die Unterlagen gut und vollständig sind und zweitens für den schnellen Blick dokumentiert, was der Wille ist.
Guten Tag Herr Dr. Sitte,
wir hatten bereits per Mail kurz Kontakt.
Ich bin selbst im palliativmedizinischen Bereich tätig. Aktuell bin ich dabei, eine Patienten-Ampel in mehreren Pflegeheimen zu etablieren. Meine Dissertationsarbeit beschäftigt sich zudem mit der Thematik Vorsorgeinstrumente.
Die Studienlage zur Thematik Patienten-Ampel bzw. Palliativ-Ampel ist meines Wissens noch sehr mäßig. Den vielen Vorteilen die das Ampelsystem bietet bin ich mir bewusst.
Allerdings würde ich auch gerne auf die möglichen Gefahren eingehen. Einige Pflegekräfte sprachen in diesem Zusammenhang vor der Sorge, es können in den Pflegeheimen im Rahmen der Etblierung eines Ampelsystems ein Klima des Drucks erzeugt werden, dass den Bewohner dazu zwingen könnte, eine Verfügung zu erstellen.
Sahen Sie sich bisher mit Risiken/Gefahren im Zusammenhang mit der Palliativ-Ampel konfrontiert, bzw. wurden Ihnen von Pflegekräften/Medizinern über negativen Erlebnissen berichtet?
Beste Grüße
M. Dietz
Lieber Herr Dietz,
danke, dass Sie so klar nachfragen. Das ist gut und hilfreich. Nichts, was wir tun ist ohne Risiko. Auch nicht das Nichts-Tun. Dagegen ist meines Erachtens die Ampel das kleinere Übel.
Jeder sollte für sich entscheiden, ob er für sich eine Patientenverfügung sinnvoll findet. Allerdings sollte diese Entscheidung doch gut fakten-, wissensbasiert sein oder? Leider ist die Wissensbasis für solche Entscheidungen oft sehr dürftig. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten.
Wenn man sich entscheidet, eine Verfügung zu erstellen, ist das meistens eine gute Entscheidung. Dann muss dokumentiert werden, wie ich mir die Zukunft für mich vorstelle, für den Fall, dass … Das ist nicht einfach.
Wenn ein Mensch mit einer solchen Verfügung dann pflegebedürftig wird und/oder nicht mehr entscheidungsfähig ist, sollten die Betreuenden sich versichern, was dort geschrieben steht. Ob es juristisch tragfähig und medizinisch sinnvoll ist (die meisten der 1.000en Verfügungen, die ich gesehen habe, waren mangelhaft). Und dann muss das, was dort steht auch im Notfall ganz schnell die grundlegende Richtung vorgeben können.
Für diese grundlegende Richtung steht die Palliativ-Ampel, der Vorschlag kam aus dem Rettungsdienst, weil da bei Notfalleinsätzen Verfügungen oft nicht verfügbar sind. Oder sie sind so kompliziert, dass man sie in der Hektik der Notfallsituation nicht versteht.
Deshalb gilt im Notfall, wenn Unklarheiten bestehen auch eindeutig, im Zweifel für das Leben. Sofort handeln, dann Nachprüfen. Oder salopp formuliert, „erst schießen, dann fragen.“
Da bin ich völlig Ihrer Meinung Herr Dr. Sitte.
Traten denn im Rahmen der Etablierung Ihrer Palliativ-Ampel viele ethische Diskussionen mit den Patienten bzw. Angehörigen oder auch den Pflegekräften und den hinzugezogenen Noteinsatzkräften auf?
Zudem habe ich selbst bereits häufig erlebt, dass die intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Vorsorgeinstrumenten und vor allem die positiven Erfahrungen im Notfallgeschehen die Einstellung der Fachkräfte grundlegend und positiv verändert. Haben Sie auch den Eindruck, die Etablierung Ihrer Palliativ-Ampel hat die grundsätzliche Einstellung/Haltung der medizinischen und pflegerischen Fachkräfte gegenüber Vorsorgeinstrumenten wie z.B. der Patientenverfügung positiv verändert?
Lieber Herr Dietz,
bei der Einführung gab es noch mehr Missverständnisse und Verwirrung als ich erwartet hatte. Wobei es immer schwierig ist, Dinge neu zu denken, die man eigentlich verdrängen wollte. Nach wie vor sehe ich diesen Ampel-Vorschlag als einen guten, wichtigen Weg um einerseits die Auseinandersetzung mit der eigenen Patientenverfügung zu fördern. Und andererseits diese Verfügungen dann für die Praxis schnell anwendbar zu machen. Die Ampel ist vom Prinzip her nichts anderes als ein effektiv erweiterter „Klebepunkt“ auf der Akte oder ein „DNR“-Vermerk. Mit der Verbesserung, dass man auch klar sehen kann, „Dieser Patient möchte unbedingt eine Maximaltherapie“ und auch alles dazwischen.
Und zu den ethischen Diskussionen. Da kommt von mir ein uneingeschränktes JA. Die Diskussionen werden nach der Einführung deutlich häufiger und deutlich sachgerechter geführt.
Guten Abend Herr Dr. Sitte.
in den von mir betreuten Heimen gab es vor der Einführung eines Ampelsystems viele Unsicherheiten und Fragen bzgl. der Patientenverfügung. Mit Hilfe der Patienten-Ampel und den praktisch erlebten Erfahrungen der Pflegeheimmitarbeiter stieg das grundsätzliche Vertrauen in Vorsorgeinstrumente im allgemeinen. Dementsprechend stieg auch die Nachfrage nach der Erstellung einer Verfügung.
Ethische bzw. grundsätzliche Diskussionen zu der Notwendigkeit/Sinnhaftigkeit einer Ampel gab es vor allem mit den Angehörigen entscheidungsunfähiger Patienten aber auch mit den im Notfall hinzugezogenen Rettungskräften. Wie Sie bereits aufgeführt haben, waren die Angehörigen oft verärgert mit einer Thematik konfrontiert zu werden, die ,,aktuell noch in weiter Ferne liegen würde“.
Weiterhin machten sich viele Sorgen um den Datenschutz,
da der Klebepunkt in der Schranktür oder im Nachttisch bei offener Zimmertür und bettlägerigen dementen Patienten leicht einsehbar sei.
Den Datenschutz finde ich sehr wichtig. Wir hatten eingangs ja auch Klebepunkte oder ähnliches erwogen und abgewogen. Der Rettungsdienst hätte sie gerne. Ich persönlich bin davon abgekommen. Ich empfehle, dass man den DIN-A-4-Zettel mit der Ampel IN einem Schrank oder einer Schublade hat. Für mich ideal ist die Türinnenseite des in der Einrichtung immer gleichen Schrankes. Damit ist es für Dritte niemals öffentlich sichtbar, außer sie schnüffeln widerrechtlich herum.
Zunehmend haben Zimmer ja auch standardmäßig einen kleinen Kühlschrank. Da wäre die „Rettung aus der Dose“ ein halbwegs bekanntes Konzept. Man könnte diese Dose aber auch an jeden anderen Platz stellen. Nachttisch. Bad. Wo auch immer. Und an der Türe sichtbar steht, wo die Dose steht.
Das sind gute Vorschläge für einen schnellen Zugriff auf die Ampel unter Wahrung des Datenschutzes.
Ich habe inzwischen nach Erfahrungsberichten von mit der Ampel vergleichbaren Vorsorgeinstrumenten im In- und Ausland recherchiert um die möglichen Risiken aber auch Chancen besser abschätzen zu können. Leider findet man hierbei nur sehr wenige Erfahrungen.
Sind Ihnen vergleichbare Projekte im In- oder Ausland bekannt?
Als Krankenpflegehelfer habe ich bei den Übergaben in Klinik und Altenheim, wie meine Kollegen*innen auch, auf meinem Übergabezettel markiert, was wir so wußten, DNR in Klinik und Heim, KK für Keine Klinik im Heim. Manche haben einen Punkt auf der Akte für DNR.
Alles, was ich dazu kenne, ist rudimentär. Deswegen kam wohl auch Bitte und Vorschlag aus dem Rettungsdienst, doch mal was anderes zu versuchen. Ich fürchte, die Ampel in der Form ist wirklich ganz neu. Wobei ich inzwischen es etwas anders machen würde.
Guten Tag Herr Dr. Sitte,
Entschuldigen Sie die späte Antwort.
Was würden Sie den an Ihrem Ampelsystem ändern?
Die Änderungen müsste ich eigentlich aufzeichnen. Ich denke, die rot-gelb-grüne Ampel sollte in eine linke Spalte. Mit dem Kurzhinweis auf das Therapieziel.
In eine größere rechte Spalte kommen dann alle Behandlungsoptionen mit dem Hinweis ja-nein-unklar. Ich würde dann wohl auch noch einige Behandlungen mehr mitaufnehmen.
Ok, nach meinen bisherigen Erfahrungen haben viele Patienten/Betreuer besonders mit dem Ausfüllen des gelben Bereichs Probleme (z.B. Wiederbelebung ja, aber s.c. Infusionen/ Antibiose bzw. künstliche Ernährung nein, sorgt häufig für Irritationen bzw. widersprüchliche Angaben) bzw. Angst, dass wenn sie sich für rot entscheiden im akuten Notfall bei ,,einfach zu behandelten Akutsituationen“ wie z.B. einer allergischen Reaktion und der guten Aussicht auf baldige Genesung mit einfachen Maßnahmen bestenfalls vor Ort nicht umgehend die entsprechenden Notfallmaßnahmen eingeleitet werden.
Lieber Herr Dietz,
die Palliativ-Ampel ist nicht primär dafür gedacht, dass Angehörige, Betroffene, Betreuer sie ausfüllen, sondern Versorger, die sich in diesen Fragen auskennen und letztlich eine Patientenverfügung lesen und anwenden können müssen.
Und sie ist keine finale Richtschnur, sondern ein Hilfsmittel. Wobei es bei „rot“ auch möglich sein muss an einer banalen Komplikation ein erwartetes Sterben zuzulassen.
Mit diesem erwareteten Sterben an einer banalen Kompliaktion haben nach meiner Erfahrung allerdings insbesondere die Pflegefachkräfte größte Schwierigkeiten.
Ich habe es leider schon des öfteren erlebt, dass trotz vorher umfassend erstellten Patientenverfügung bzw. ACP und vorliegenden Ampel dennoch im Notfallgeschehen am Wochenende bzw. in der Nacht wenn unsere Praxis geschlossen hatte bei einer ,,banalen Kompliaktion“ wie einer allergischen Reaktion der Notarzt gerufen wurde und der Patient schlimmstenfalls gegen seinen vorusverfügten Willen letztlich stationär im Krankenhaus behandelt wurde.
Ein Kernproblem ist, dass wir nicht „die Welt retten können“, im Sinne von, es klappt immer, was eigentlich sonnenklar ist. Aber, wir können versuchen aufzuklären und Standards bekannt zu machen.
Meine Mutter muss leider palliativ betreut werden. Ich wusste aber noch nicht, dass die Palliativampel für Einrichtungen entwickelt wurde. Ich werde bei der Palliativbetreuung meiner Mutter mich mal darüber informieren lassen.